Home
 
Kreistag
Ausschüsse
Fraktionen
 
Kalender
Übersicht
 
Übersicht
 
Textrecherche


Bürgerinformationssystem

Vorlage - DrS/2019/101  

 
 
Betreff: Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung im Kreis Segeberg - Konzept, Maßnahmenvorschlag und weitere Empfehlungen
Status:öffentlichVorlage-Art:Drucksache
Verfasser/in:Frau Löhmann
Federführend:FB Soziales, Jugend, Bildung, Gesundheit Bearbeiter/-in: Zierke, Beate
Beratungsfolge:
Ausschuss für Ordnung, Verkehr und Gesundheit Vorberatung
03.06.2019 
5. Sitzung des Ausschusses für Ordnung, Verkehr und Gesundheit geändert beschlossen   
Hauptausschuss Vorberatung
25.06.2019 
12. Sitzung des Hauptausschusses ungeändert beschlossen   
Kreistag des Kreises Segeberg Entscheidung
27.06.2019 
7. Sitzung des Kreistages ungeändert beschlossen   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Finanzielle Auswirkungen
Anlage/n

ALLRIS® Office Integration 3.9.2

Sachverhalt:

  1. Beschlussgrundlage

    Mit Beschluss vom 11.02.2019 des OVG-Ausschusses wurde die Verwaltung beauftragt, dem Ausschuss zur Sitzung am 03.06.2019 konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der haus- und fachärztlichen Versorgung unter Berücksichtigung des Antrags der CDU-Fraktion vorzulegen (DrS/2019/021). Dieser Antrag beinhaltet den Auftrag zur Erarbeitung eines Konzeptes zur Verhinderung des drohenden Hausärztemangels im Kreis, z. B. durch Vergabe von Medizinstipendien oder finanzielle Unterstützung bei der Übernahme einer Hausarztpraxis (DrS/2018/249).

    Der Fachbereich III führte zwischen Februar und April 2019 Gespräche mit Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung S.-H. (KVSH), der Ärztekammer S.-H. (ÄKSH), des Kreisausschusses der ÄKSH und der Kreisstelle der KVSH, der Ärztegenossenschaft Nord eG, des Hausärzteverbandes S.-H., des Gesundheitsministeriums des Landes S.-H., des LKT, dem Koordinator ambulante ärztliche Versorgung des Kreises Dithmarschen und anderen Experten. Die Vertreter der KVSH, der Ärztekammer und der Ärztegenossenschaft Nord, wahrscheinlich auch des Hausärzteverbandes S.-H., sowie der Koordinator des Kreises Dithmarschen werden im Ausschuss am 03.06.2019 berichten.

     
  2. Ausgangslage und konzeptioneller Ansatz

    Einig waren sich alle Experten, dass es nicht um die Verbesserung der hausärztlichen Versorgung, sondern um die Sicherstellung derselben gehe. Notwendige Änderungen der Versorgung müssten jetzt getroffen werden, um langfristig einem möglichen Hausärztemangel vorzubeugen.

    Momentan ist nach Angaben der KVSH die Anzahl der Hausärzte stabil, die Versorgungsquote – regulär bei 110 % - im Bereich Bad Segeberg/
    Wahlstedt leicht überversorgt und im Bereich Südwest und Nordwest/
    Neumünster leicht unterversorgt. Als  problematisch wird bezeichnet, dass 20 % der Hausärzte im Kreis Segeberg 65 Jahre und älter sind, weitere 16 % zwischen 59 und 65 Jahren alt. Die genauen Zahlen und die Versorgungsentwicklung werden von der Leiterin der Zulassung der KVSH, Frau Hartz, in der Sitzung am 03.06.2019 präsentiert.

    Als problematisch wird weiterhin genannt, dass den Hausärzten zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit zunehmend weniger Zeit zur Verfügung stehe und die Arbeitsbelastung hoch sei. Dies habe mehrere Ursachen: selbständige, insbesondere ältere Ärzte arbeiteten häufig 60 Stunden pro Woche; jüngere Ärzte wollten weniger und immer häufiger als Angestellte und/oder in Teilzeit arbeiten; die Patientenzahlen würden steigen; die Patienten würden immer älter und pflegebedürftiger; ältere Ärzte fänden häufig keine Nachfolge und würden weiterarbeiten, um die Patienten nicht im Stich zu lassen; die gesetzlichen Anforderungen – gerade aus der jüngsten Zeit – hätten neue Aufgaben zur Folge. Ärzte wollten weniger auf dem Land arbeiten, da hier die übrigen Rahmenbedingungen wie kulturelle und sonstige Angebote nicht attraktiv genug seien.

    Neben diesem größtenteils gesellschaftlichen Wandel finde derzeit auch ein struktureller Wandel der ambulanten ärztlichen Versorgung statt, ausgelöst durch die Überalterung der Patienten und der Ärzte, durch die Digitalisierung und neue Formen der medizinischen Versorgung, z. B. der Zusammenarbeit von Ärzten mit anderen Gesundheitsfachberufen. Hierin, so die Experten, liege eine Chance, um einen möglichen  Versorgungsengpass abzuwenden.

    Hinsichtlich der Lösung ist  man sich einig, dass neben bundes- und landespolitischen Maßnahmen auf lokaler, kommunaler Ebene ein „Maßnahmenmix“ umgesetzt werden sollte. Hier sollten sich nicht nur die Ärzte, Ärztenetzwerke und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) einbringen, sondern verschiedene andere Akteure wie Kliniken, nichtärztliche Gesundheitsdienstleister, KVSH, Ärztekammer und vor allem die Kommunen (so auch das Positionspapier des Deutschen Landkreistages zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung vom 09.01.2018, DrS/2019/027, Anlage 5). Nach Auffassung der Verwaltung sollten Maßnahmen der Sicherung der ambulanten ärztlichen Versorgung auch die Schnittstellen zu anderen Dienstleistungen wie der Pflegeberatung und -versorgung, dem Entlassungsmanagement der Kliniken sowie der Palliativversorgung berücksichtigen (vgl. Protokoll des Fachgespräches der Mitglieder des OVG-Ausschusses am 15.01.2019 und Entwurf der möglichen gesundheits-politischen Strategien des Kreises Segeberg vom 19.12.2018, DrS/2019/027, Anlagen 1 und 2). Dies im Hinblick auf die Entlastung der Ärzte und auf die steigende Zahl der alten und pflegebedürftigen Patienten. Insofern sollte u. E. der Maßnahmenplan integriert aufgestellt sein. In diesem Rahmen ist der Kreis Segeberg teilweise originär zuständig und übt darüber hinaus im Rahmen der Daseinsvorsorge eine aktive Koordinationsrolle aus.

    Ferner folgt die Verwaltung der Experteneinschätzung, dass die Sicherstellung der hausärztlichen bzw. allgemeinmedizinischen Versorgung der Bevölkerung im Fokus des Maßnahmenplans stehen sollte und nicht auch noch die fachärztliche Versorgung im Übrigen. Dies aus zwei Gründen: zum einen wird die ambulante Versorgung durch andere Fachärzte von der KVSH als unproblematisch angesehen; zum anderen geht von der Maßnahme der Begründung eines Ärzte- oder eines Gesundheitszentrums (s. u. Ziffer 3.2) erfahrungsgemäß eine Sogwirkung auf andere Facharztdisziplinen aus.

     
  3. Mögliche Maßnahmen zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung unter Beteiligung des Kreises

    Die folgenden Maßnahmen sollten nach Auffassung der Verwaltung nebeneinander umgesetzt werden (Stichwort: „Maßnahmenmix“).
     
    1.                Implementierung einer Koordinierung ambulante ärztliche Versorgung im Kreis Segeberg durch Beauftragung eines externen Koordinators

      Diese Stelle hätte die Aufgabe, die kreisangehörigen Kommunen und die dort tätigen Ärzte zu beraten und mit allen relevanten Akteuren zusammenzubringen. Dies kann die


- Durchführung von Informationsveranstaltungen kreisweit oder für
  einzelne Kommunen zur Darstellung der Entwicklung der hausärztlichen 

   Versorgung und Lösungsmöglichkeiten
Einzelberatung auf Anforderung von Kommunen und der dort tätigen Ärzte

   bis zum Zeitpunkt der Ausschreibung einer Projektierung zur Erstellung

   eines Konzeptes
- Durchführung von runden Tischen mit allen Akteuren vor Ort auf Wunsch

  der Kommunen
Vertretung der Kommunen bei der Erstellung von Versorgungsanalysen

   und Businessplänen durch einen externen Berater, konzeptionelle 

   Beratung incl. Förderberatung und Beantragung von Fördermitteln
-  rechtliche und organisatorische Beratung bei der Umsetzung einer

   Projektempfehlung
-  Abstimmung der Maßnahmenplanung mit Ärzten und den anderen

   Akteuren vor Ort
-  Umsetzungsbegleitung

beinhalten.

Will sich die Gemeinde selbst bei der hausärztlichen Versorgung finanziell beteiligen (durch eine Investition in das Gebäude oder in die Ausstattung einer Praxis oder eines MVZ, durch Begründung eines kommunalen MVZ oder einer Eigeneinrichtung), begleitet die Koordinator die Beschlussfassung in den kommunalen Gremien und die Beteiligung der Kommunalaufsicht einschließlich der Erstellung der notwendigen Unterlagen und Ausschreibung der Dienstleistungen im Einzelfall (Ausnahme: Rechtsberatung).

Der Koordinator muss über eine hohe Expertise in verschiedenen Rechtsgebieten (u. a. Zulassungs-, Standes-, Gesellschafts-, Kommunal-Vergabe-, Haushaltsrecht) verfügen. Er muss in der Lage sein, mit den Kommunen, den Ärzten und allen relevanten Akteuren vor Ort gut zu kommunizieren. Er sollte unabhängig und vernetzt sein. Nach Angaben der KVSH hat sich das Modell des Kreises Dithmarschen sehr bewährt. Hier sei der (eine) Koordinator direkt im Auftrag des Kreises tätig, aber eben inhaltlich unabhängig und berichtspflichtig gegenüber den Kreisgremien. Der Kreis Dithmarschen hat eine Dienstleistungsvereinbarung mit dem Koordinator geschlossen, dieser ist also nicht Beschäftigter des Kreises. Herr Stender, der Koordinator des Kreises Dithmarschen, wird dem OVG-Ausschuss am 03.06.2019 über seine Tätigkeit berichten. 

Der Kreiskoordinator ist in erster Linie für die kreisangehörigen Kommunen tätig („Kommunalberater“). Für die Erstellung der Analysen, Businesspläne etc. bedarf er der Kooperation mit einem Expertenteam, das medizinische und betriebswirtschaftliche Expertise einbringt. Hier hat sich nach Angaben der KVSH, der Ärztekammer, des Hausärzteverbandes und des Kreises Dithmarschen die Zusammenarbeit mit der Ärztegenossenschaft Nord eG bewährt. Die Ärztegenossenschaft hat auch außerhalb des Kreises Dithmarschen einige Projekte realisiert. Sowohl Herr Stender als auch die Ärztegenossenschaft sind bereits für einige Kommunen im Kreis Segeberg tätig. Der Geschäftsführer der Ärztegenossenschaft, Herr Rampoldt, wird in der Sitzung am 03.06.2019 ebenfalls anwesend sein.

Zusammenfassend schlägt die Verwaltung vor, einen unabhängigen Kreiskoordinator zu beauftragen, der die kreisangehörigen Kommunen berät und dem OVG-Ausschuss regelmäßig berichtet. Im Einzelfall arbeitet er mit einem medizinischen und gleichermaßen betriebswirtschaftlichen Expertenteam wie dem der Ärztegenossenschaft Nord zusammen („Modell Dithmarschen“). Darüber hinaus schlägt die Verwaltung vor, dass der Kreis die Kosten des Kreiskoordinators übernimmt. In der weiteren Erörterung der Kreisgremien müsste beschlossen werden, ob der Kreis auch die Kosten der Dienstleistung des betriebswirtschaftlichen Expertenteams übernimmt oder die Kostentragung hierfür den einzelnen Kommunen überlässt. Wenn eine komplexe Beratung mit Umsetzungsbegleitung im obigen Sinne durchgeführt wird, kann dies pro Kommune einen Gesamtbetrag in mittlerer fünfstelliger Höhe ausmachen. Eine genaue Kostenkalkulation kann den Kreisgremien in der nächsten Sitzungsperiode vorgelegt werden.
 

3.2.                   Ausbau von Ärzte- und Gesundheitszentren

Auch wenn auf kommunaler Ebene individuelle Lösungen anzustreben sind, ist anzuerkennen, dass junge Ärzt*innen – der Medizinerberuf zieht mehr Frauen an – eher in einem Team und als Angestellte arbeiten und insgesamt eine bessere Work-Life-Balance haben wollen. Der Trend geht zu Praxisgemeinschaften und zu MVZ. In letzteren können zugelassene Ärzte auch im Angestelltenverhältnis tätig sein, was in herkömmlichen (Gemeinschafts-)Praxen nur eingeschränkt möglich ist. Sie können u. a. von zugelassenen Ärzten, Krankenhäusern und von Kommunen eingerichtet werden (§ 95 SGB V). Im Ausnahmefall können Kommunen auch eine Eigeneinrichtung gründen (§ 105 Abs. 5 SGB V), so wie dies in Büsum vom Koordinator des Kreises Dithmarschen in Kooperation mit der Ärztegenossenschaft Nord eG initiiert worden war.

Auch wenn das Büsumer Modell im fünften Jahr seit Gründung erfolgreich ist, empfehlen die Experten, dass Kommunen nur subsidiär tätig werden sollten, d. h. nur dann ein kommunales MVZ oder eine eigene Einrichtung gründen sollten, wenn sich Ärzte und andere Gesundheitsdienstleiter hierzu nicht finden. Das wirtschaftliche Risiko sei hoch, die rechtlichen Anforderungen seien nicht zu unterschätzen. Kommunen sollten daher eher in Immobilien oder in die Praxisausstattung investieren, um Ärzte für ihre Kommunen zu gewinnen. Auch hier bestünden hohe Fördermöglichkeiten durch den Staat und von anderer Seite.

Empfohlen wird weiterhin, dass die ärztliche Dienstleitung um andere Gesundheitsdienstleistungen, wie die von Heilpraktikern, Physiotherapeuten, ambulanten Pflegediensten, Psychotherapeuten, Apotheken etc. erweitert und in einem Haus der Gesundheit bzw. Gesundheitszentrum zusammengefasst werden (integrativer Ansatz). Auch sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass ärztliche Nachwuchskräfte eher in einem multiprofessionellen Team arbeiten möchten. Der Trend geht Richtung größeren Gemeinschaftspraxen in der Stadt bzw. überörtlichen Gesundheitszentren auf dem Land. Die Erfahrung ist die, dass diese Zentren eine Sogwirkung auf andere Facharztdisziplinen haben.

Zusammenfassend schlägt die Verwaltung vor, dass sich die Beratung und Unterstützung der Kommunen zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung an den o. g. Kriterien orientiert und darauf achtet, dass Ärzte – auch junge Ärzte – und andere Gesundheitsdienstleister möglich früh in die Planungen der Kommunen mit einbezogen werden.
 

3.3.                   Förderung der Verbundweiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin

Die Vertreter der KVSH und der ÄKSH, insbesondere die Vorsitzende des Kreisausschusses der ÄK und der Kreisstelle der KV, wiesen darauf hin, dass die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin im Kreis Segeberg dringend verbessert werden müsse.

Die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin beinhaltet 36 Monate Weiterbildung in der Inneren Medizin eines Krankenhauses und 24 Monate in der ambulanten hausärztlichen Versorgung. Im Rahmen der sog. Verbundweiterbildung werden stationäre und ambulante Ausbildungszeiten stärker untereinander abgestimmt und koordiniert. Diese Art der Weiterbildung, so die Experten, könne sehr gut dazu genutzt werden, die Zusammenarbeit zwischen Kliniken und niedergelassenen Ärzten zu stärken. Sie habe für beide Seiten den Vorteil, dass genügend Allgemeinmediziner ausbildet werden würden und die Kliniken die Patienten im Rahmen der Nachsorge an niedergelassene Ärzte weitervermitteln könnten. Die Erfahrung sei, dass der niedergelassene Arzt, der selbst ausbilde, leichter eine Nachfolge fände.
Aus diesem Grunde werde die Verbundweiterbildung derzeit stark vom Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin (KWA) der KVSH, der ÄKSH und der Krankenhausgesellschaft S.-H. (KGSH) für ganz Schleswig-Holstein vorangetrieben. Zusammen mit der Koordinierungsstelle Allgemeinmedizin baue die KWA die Weiterbildungsverbünde im Land auf, sorge für eine strukturierte Rotation und ein abgestimmtes Schulungsprogramm.

Die Verbundweiterbildung bei den niedergelassenen Ärzten werde mit mtl. 4.800,00 Euro pro Weiterbildungsassistent bezuschusst, in den Kliniken mit nur rd. 2000,00 Euro mtl.

 

Obwohl die KWA sich am Standort Bad Segeberg befinde,  bestünden gerade im Kreis Segeberg Schwierigkeiten, die Weiterbildung umzusetzen. Kiel und Lübeck hätten Standortvorteile, da die Weiterbildungsassistenten hier häufig wohnten, da sie an den Universitäten Lübeck und Kiel studiert hätten. Erschwerend komme hinzu, dass Kliniken allgemein aufgrund des Ärztemangels die Weiterbildungsassistenten nicht genügend fördern würden. Insbesondere würde die vorgeschriebene Rotation durch verschiedene Abteilungen nicht eingehalten werden. Weiterbildungsassistenten würden häufig nur in einem Bereich eingesetzt werden.

An der Verbundweiterbildung im Kreis Segeberg könnten neben den anerkannten niedergelassenen Ärzten und Ärztenetzwerken die Segeberger Kliniken, die Klinik Henstedt-Ulzburg sowie das FEK Neumünster teilnehmen. Die Einbeziehung des UKSH Lübeck sei sinnvoll, da der dortige Lehrstuhlinhaber für Allgemeinmedizin gleichzeitig an der KWA Bad Segeberg unterrichte. Es wäre nach Auffassung aller Beteiligten sehr hilfreich, wenn der Kreis Segeberg die Verhandlungen mit den Kliniken begleiten könnte. Die Verwaltung unterstützt diesen Vorschlag, da sie ohnehin wegen der kooperativen Fachkräfteinitiative mit den Kliniken im Austausch steht. Im Übrigen könnte die Verhandlung mit den Kliniken eine Aufgabe des Kreiskoordinators sein. 

Möglich ist auch, den Kliniken einen finanziellen Anreiz für die aktive Teilnahme an der Verbundweiterbildung für zukünftige Allgemeinmediziner zu bieten. Sie haben einen hohen organisatorischen Aufwand, erhalten aber einen niedrigen gesetzlichen Zuschuss für die Weiterbildung im Vergleich zu den niedergelassenen Ärzten.


Nach Auffassung der Verwaltung ist es auch sinnvoll, den Weiterbildungs-assistenten eine Wohnungsbeihilfe zu gewähren, wenn sie in den Kreis Segeberg ziehen und hier nach Abschluss der Ausbildung bleiben. Bei der Gewährung eines Zuschusses von 3.000,00 Euro jährlich z. B. wäre dies eine Summe von 15.000,00 Euro pro Teilnehmer für die Dauer von 5 Jahren.

 

Angesichts der unter Ziffer 2 dargestellten Zahlen hält die Verwaltung es für angebracht, die Weiterbildung von 5 - 10 Weiterbildungsassistenten p. A. zu fördern. 

Hinsichtlich der Gewährung eines Stipendiums an Medizinstudenten, wie von der CDU-Fraktion in die Diskussion eingebracht,  wiesen die Vertreter der KVSH und der ÄKSH darauf hin, dass Studenten häufig noch nicht wüssten, auf welchem medizinischen Gebiet sie später arbeiten wollten. Daher sei es sinnvoller, die Mediziner in Weiterbildung zu fördern. Dieser Auffassung schließt sich die Verwaltung an.

Zusammenfassend schlägt die Verwaltung folgende Maßnahmen zur  

Förderung der Verbundweiterbildung vor:

-  die Begleitung der Verhandlungen mit den Kliniken, ggf. die Zahlung

    eines finanziellen Ausgleichs

-  die Gewährung einer Wohnungsbeihilfe an die Weiterbildungs-

    assistenten unter den o. g. Bedingungen.
  

3.4.                   Förderung der Weiterbildung zur Nichtärztlichen Praxisassistentin (NäPa)

Die Weiterbildung zu NäPa ist eine berufsbegleitende Weiterbildung für medizinische Fachangestellte oder Krankenpfleger*innen mit mindestens dreijähriger Berufserfahrung in einer haus- oder fachärztlichen Praxis. Die NäPa nimmt bestimmte ärztlich angeordnete Hilfeleistungen wahr, die der Arzt bislang selbst ausgeübt hat. Dies kann sie in der Arztpraxis oder bei Heim- oder Hausbesuchen tun. Hierbei ist häufig der sog. Telemedizinische Rucksack im Einsatz. Die Tätigkeit der NäPa entlastet den Arzt unmittelbar und wird daher vom Hausärzteverband S.-H. und von den anderen Experten unbedingt befürwortet.

Grundsätzlich ist die NäPa bei dem niedergelassenen Arzt beschäftigt (Ausnahme: geplantes KVSH-Pilotprojekt der Telemedizin-Praxis Dagebüll). Die berufsbegleitende Weiterbildung an der Akademie der ÄKSH wird von den Ärzten finanziert (ca. 2.500,00 €uro Kursgebühr). Außerdem fallen die Kosten von fünf Wochen Lohnfortzahlung, Fahrtkosten und u. U. Unterkunftskosten an. Die Leistungen der NäPa sind grundsätzlich nach Abschluss der Weiterbildung abrechenbar, so dass die Ärzte später teilweise eine Kostenerstattung für ihre Vorleistungen erhalten.

Im Kreis Segeberg beschäftigen aktuell nur 21 Arztpraxen, d. h. rd. 8 % der Gesamtzahl, eine NäPa. Nach Auffassung der Experten sollte die Zahl unbedingt gesteigert werden. Empfohlen wird, dass den Ärzten ein finanzieller Anreiz gewährt wird, um ihren Angestellten die Teilnahme an der Weiterbildung zur NäPa zu ermöglichen. Nach Angaben der ÄKSH werden zurzeit nur 25 NäPa pro Jahr ausgebildet. Die Leiterin der Akademie der ÄKSH, Frau Mozr, steht am 03.06.2019 für Rückfragen zur Verfügung.

Da nach Angaben der Experten die Ärzte trotz steigender Zahlen von alten und pflegebedürftigen Patienten immer seltener Hausbesuche durchführen, sollte nach Auffassung der Verwaltung der Einsatz von NäPa verstärkt werden. Zusammenfassend wird daher vorgeschlagen, Praxen im Kreis Segeberg, in denen Allgemeinmediziner tätig sind, einen finanziellen Zuschuss für die NäPa-Weiterbildung zu gewähren.

 

  1. Weitere Formen der Unterstützung der hausärztlichen Versorgung

    Nach der Erfahrung der Experten und der Kreisverwaltung ist es wichtig, dass weitere Formen der ambulanten medizinischen Versorgung zum Einsatz kommen.
     
    1.                   Etablierung von Arztassistenten („physician assistent“)

      Dieser Beruf ist ein neuer Hochschulstudiengang, der nach der Bundesärztekammer als Aufbaustudiengang nach einem medizinischen Abschluss bzw. Pflegeausbildung konzipiert ist. Der Einsatz ist vorrangig in Kliniken vorgesehen. In Niedersachen wird zurzeit geplant, Arztassistenten auch in der ambulanten Praxis einzusetzen. In S.-H.  existiert der Studiengang (noch) nicht. Die Universität Lübeck bietet ein Duales Studium Pflege an, was inhaltlich von dem des Arztassistenten zu unterscheiden ist.

      Auch wenn in S.-H. die Entwicklung zurzeit „noch nicht so weit ist“, ist dieser Ansatz nach Auffassung der Verwaltung durchaus überlegenswert.
       
    2.                 Beteiligung von Case-Managern

      Die ÄKSH bietet die berufsbegleitende Fortbildung „Case-Management in der ambulanten medizinischen Versorgung“ an. Zielgruppe dieser Fortbildung sind MFA oder in einem anderen medizinischen Fachberuf Ausgebildete mit Berufserfahrung. Die Tätigkeit des Case-Managers wird wie die der NäPa von einem Arzt angeordnet. Der Case-Manager arbeitet jedoch selbständiger und umfassender als die NäPa. Die Tätigkeit beinhaltet die selbständige Planung, Koordinierung, Steuerung und Kontrolle von medizinischen Hilfen bei komplexen Problemlagen und fehlender Selbsthilfefähigkeit der Patienten. Dies unter Einbeziehung der Patienten, ihrer Angehörigen und von Netzwerken. Insbesondere stehen Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen, die Integration von nicht-ärztlichen Hilfen sowie flankierende Dienstleistungen im Vordergrund. Somit ist Case-Management ein Baustein für die integrierte Versorgung von schwerkranken, chronisch kranken und pflegebedürftigen Menschen, die möglichst lange zu Hause leben sollten.


Leider können Ärzte die Leistungen von Case-Managern kassenärztlich nicht abrechnen. Aus diesem Grunde ist das Case-Management in S.-H. kaum im Einsatz. ÄKSH, KVSH und die Ärztegenossenschaft Nord eG empfehlen, dass große MVZ oder Ärztenetzwerke (lose Verbünde von mehreren Praxen) gemeinsam einen Case-Manager einstellen, um sich die Personalkosten zu teilen. Im Raum Norderstedt, Henstedt-Ulzburg, Kaltenkirchen und Bad Bramstedt haben sich in jüngster Vergangenheit zwei Ärztenetzwerke zu einem Netzwerk (HUK) zusammengeschlossen. Insofern bestünde nach Auffassung der Verwaltung hier eine interessante Einsatzmöglichkeit.

Das Gesundheitszentrum der Gemeinde Büsum beschäftigt eine Case-Managerin. Diese ist nach Auskunft der Ärztegenossenschaft in erster Linie eine Netzwerkerin, die die unterschiedlichen Einrichtungen und Dienste rund um die ambulante medizinische Versorgung und Pflege koordiniere. Auch koordiniere sie das Ehrenamt, um Bürger für die Betreuung von Schwerkranken, chronisch Kranken und Pflegebedürftigen zu finden. Dieser Ansatz ist nach Auffassung  der Verwaltung nicht überall kopierbar (im Kreis Segeberg z. B. wird das Ehrenamts-management für pflegebedürftige Menschen vom Pflegestützpunkt organisiert (Projekt „Rinkieker und Kümmerer“). Er macht aber deutlich, dass  es einen (steigenden) Bedarf gibt, in dessen Folge neue Wege beschritten werden müssen.

Die Personalkosten der Case-Managerin von Büsum werden befristet von der Robert-Bosch-Stiftung gefördert. Für den Kreis Segeberg wäre es überlegenswert, ein MVZ oder ein Ärztenetzwerk zu finden, das bereit ist, eine Case-Managerin einzustellen. Als Pilotprojekt könnte dies – wenn es keine Förderung von dritter Seite erfährt – vom Kreis finanziell gefördert werden. Die Implementierung eines Case-Managements könnte auch Aufgabe des Kreiskoordinators i. S. d. Ziffer 3.1 sein.

 

4.3.                    Einführung einer Gemeindeschwester auf Amtsebene

Die Vorsitzende des OVG-Ausschusses hatte im Arbeitsgespräch am 15.01.2019 den Ausschussmitgliedern die Idee der „Gemeindeschwester auf Amtsebene“ vorgestellt. Eine Pflegekraft, hauptamtlich bei einer Amtsverwaltung beschäftigt, sollte (präventive) Hausbesuche bei erkrankten und/oder pflegebedürftigen Menschen durchführen. Sie sollte eine „Kümmerer-Person“ sein, die zu Ärzten, Pflegediensten und anderen Hilfesystemen vermittelt, ggf. Ehrenamtliche einschaltet, möglicherweise mit einem Telemedizinrücksack ausgestattet ist. Diese Gemeindeschwester sollte im ländlichen Bereich, z. B. im Amt Bad Bramstedt–Land tätig sein, und zwar nicht für eine einzelne Gemeinde, sondern für mehrere oder alle amtsangehörigen Gemeinden. Dieser Vorschlag fand bei den Anwesenden großen Anklang.

In der Zwischenzeit konnte im Gesundheitsministerium S.-H. sondiert werden, dass eine finanzielle Förderung aus dem Versorgungs-sicherungsfonds des Landes S.-H. bereitgestellt werden könnte, wenn die Gemeindeschwester die Scharnierfunktion zwischen ambulanter ärztlicher Versorgung und ambulanter pflegerischer Versorgung incl. Netzwerkarbeit ausübe. Speziell die Netzwerktätigkeit könnte gefördert werden.
 

Nach Auffassung der Verwaltung kommt das vom Land Hessen geförderte Projekt der „Gemeindeschwester 2.0“ diesen Überlegungen sehr nahe. Auszug aus der Pressemitteilung des Hess. Ministeriums für Soziales und Integration: „ Die Förderrichtlinie Gemeindeschwester 2.0 soll die Lücke zwischen medizinischer, pflegerische und psychosozialer Versorgung auch für Menschen, die noch keinen Pflegebedarf i. S. d. SGB XI haben, über eine zentrale, hauptamtliche, aufsuchende Kümmerer-Person schließen … Antragsberechtigt sind Ärzte und Kommunen.“ Das Land Hessen fördert die Personal- und Weiterbildungskosten, während vom Versorgungssicherungsfond S.-H. „nur“ die Sach- und Projektmittel übernommen werden.
 

In Rheinland-Pfalz, u. a. im Kreis Trier-Saarburg, setzen seit Abschluss der MORU-Studie Kirchengemeinden und Verbandsgemeinden (vergleichbar mit den Ämtern in S.-H.) gemeinsam eine Gemeinde-schwester ein und teilen sich die Personalkosten. Dieser Ansatz erscheint der Verwaltung sehr innovativ. Es wird nämlich angenommen, dass die Kirchengemeinden im Kreis Segeberg bzw. ihre sozialen Dienste ebenfalls neue Wege gehen werden. Entsprechende Ideen waren während des Projektes „Zukunftsszenario Altenhilfe 2030 - 2045“ des Diakonischen Werkes S.-H., an dem der Kreis Segeberg von 2016 bis 2018 teilgenommen hatte, ausgetauscht worden.
 

Der Fachbereich III, FD Soziale Sicherung, hat erstmalig die Stelle Teamleitung Ambulante Hilfen ausgeschrieben, die u. a. die Aufgabe haben wird, die Kommunalisierung der Pflege und die Einführung ähnlicher Angebote  voranzutreiben. Insofern ist es sehr sinnvoll, wenn die Kreisgremien der Verwaltung einen Prüfauftrag zum Themenkomplex „Gemeindeschwester“ erteilen würden.
 

4.4.                    Das „Buurtzorg-Modell“

Dies ist das Pflegemodell aus den Niederlanden, das dort im Bereich der Pflege und der Altenarbeit eingesetzt wird. Die Fraktion WI-SE hatte mit Mail vom 31.01.2019 zur DrS/2019/027 auf dieses Modell, das auch in der BRD Nachahmung findet, hingewiesen. Wegen fehlender Kapazität konnte die Verwaltung noch keine näheren Informationen einholen. Auf den ersten Blick scheint eine Kostentragung nach dem SGB XI schwierig zu sein.
 

4.5.                     Ambulante Palliativversorgung

 

Wie unter Ziffer 2. ausgeführt, ist die ambulante Palliativversorgung durch spezialisierte Palliativmediziner und qualifizierte Hausärzte ein weiterer Bestandteil der integrierten ambulanten Versorgung. Zur Drs/2018/151 hat der Sozialausschuss am 07.03.2019 der Verwaltung bereits den Auftrag erteilt, zu prüfen, inwieweit der Kreis das hier bestehende Hospiz- und Palliativnetz unterstützen kann, wie groß die Bedarfe sind und wo Versorgungslücken bestehen.

 

 

  1. Zusammenfassung

Es wird um Zustimmung zu den Umsetzungs- und Prüfvorschlägen der Verwaltung gebeten.

 

 

ALLRIS® Office Integration 3.9.2

Beschlussvorschlag:

Der Ausschuss für Ordnung, Verkehr und Gesundheit und der Hauptausschuss empfehlen, der Kreistag beschließt,
 

  1. die unter Ziffer 3 des Sachverhaltes vorgeschlagenen Maßnahmen  umzusetzen, um die hausärztliche Versorgung im Kreis Segeberg langfristig sicherzustellen,
  2. die Verwaltung zu beauftragen, eine genaue Kostenkalkulation dieser Maßnahmen den Kreisgremien zur Beschlussfassung in der nächsten Sitzung vorzulegen und die erforderlichen Haushaltsmittel in den Haushalt 2020 ff. aufzunehmen,
  3. die Verwaltung weiterhin zu beauftragen, die unter Ziffer 4.3. genannte  Handlungsoption auf Bedarf und Machbarkeit zu prüfen und den Kreisgremien ggf. einen Umsetzungsvorschlag zu unterbreiten.

 

 

ALLRIS® Office Integration 3.9.2

Finanzielle Auswirkungen:

 

Nein

 

X

Ja:

 

X

Darstellung der einmaligen Kosten, Folgekosten

 

Die Kosten können noch nicht beziffert werden, da abhängig von der Beschlussfassung und der Kostenkalkulation.

 

 

Mittelbereitstellung

 

Teilplan:

 

In der Ergebnisrechnung

Produktkonto:

 

In der Finanzrechnung investiv

Produktkonto:

 

 

Der Beschluss führt zu einer über-/außerplanmäßigen Aufwendung bzw. Auszahlung

 

in Höhe von

 

Euro

 

(Der Hauptausschuss ist an der Beschlussfassung zu beteiligen)

 

 

Die Deckung der Haushaltsüberschreitung ist gesichert durch

 

Minderaufwendungen bzw. -auszahlungen beim Produktkonto:

 

 

 

 

 

Mehrerträge bzw. -einzahlungen beim Produktkonto:

 

 

Bezug zum strategischen Management:

 

Nein

 

X

Ja; Darstellung der Maßnahme

     3.4 (Ausbau der Gesundheitsversorgung),
      5.7 (Vernetzung örtlicher Beratungs- und Betreuungsangebote),
      5.9 (Verstärkung der Prävention)

 

 

Belange von Menschen mit Behinderung sind betroffen:

 

Nein

 

X

Ja

 

Belange von Menschen mit Behinderung wurden berücksichtigt:

 

 

Nein

 

X

Ja

 

 

ALLRIS® Office Integration 3.9.2

Anlage/n:

 

 

Stammbaum:
DrS/2019/101   Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung im Kreis Segeberg - Konzept, Maßnahmenvorschlag und weitere Empfehlungen   FB Soziales, Jugend, Bildung, Gesundheit   Drucksache
DrS/2019/101-1   Sicherstellung der Hausärztlichen Versorgung im Kreis Segeberg - Kostenkalkulation der vorgeschlagenen Maßnahmen   FB Soziales, Jugend, Bildung, Gesundheit   Drucksache
DrS/2019/101-2   Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung im Kreis Segeberg - Kostenkalkulation und Öffentlichkeitsarbeit für den Gesundheitsstandort Kreis Segeberg   FB Soziales, Jugend, Bildung, Gesundheit   Drucksache
DrS/2019/101-4   Marketing für den Gesundheitsstandort Kreis Segeberg - DrS/2019/101 und 101-1   Sozialpsychiatrie und Gesundheitsförderung   Drucksache