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Vorlage - DrS/2023/061  

 
 
Betreff: Funktionelle, organisatorische und personelle Trennung der Aufgaben des Sachgebietes Amtsvormundschaft/Amtspflegschaft (nachfolgend sind immer Vormundschaften und die Ergänzungspflegschaft gemeint) von den anderen Aufgaben des Jugendamtes gemäß § 55 Abs. 5 SGB VIII ab dem 01.01.2023
Status:öffentlichVorlage-Art:Bericht der Verwaltung
Verfasser/in:AV-Mitarbeiter*innen, Frau Terschüren
Federführend:FB Jugend und Bildung Beteiligt:FB Zentrale Steuerung
Bearbeiter/-in: David, Henny  Gleichstellungsbeauftragte
   Personal, Organisation und Verwaltungsdigitalisierung
   Rechtsangelegenheiten, Kommunalaufsicht und Zentrale Vergabestelle
   Personalrat Kreis
Beratungsfolge:
Jugendhilfeausschuss Kenntnisnahme
16.03.2023 
Sitzung des Jugendhilfeausschusses zur Kenntnis genommen   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Reform Vormundschaftsrecht Bundesforum_Materialienband  
Orientierungshilfe zur Umsetzung des neuen Vormundschaftsrechts in den Bereichen Zusammenarbeit des Vormunds mit weiteren Beteiligten und der Organisation im Jugendamt  

ALLRIS® Office Integration 3.9.2

Zusammenfassung:

Im Rahmen der Reform des Vormundschaftsrechts hat der Kreis ab dem 01.01.2023 die Aufgaben der Amtsvormund*innen von den anderen Aufgaben des Jugendamtes zu trennen.

 

Sachverhalt:

  1. Zielsetzung des Gesetzgebers hinsichtlich der Vorschrift des § 55 Abs. 5 SGB VIII in der neuen Fassung ab dem 01.01.2023

 

Nach dem Wortlaut des § 55 Abs. 5 SGB VIII n.F. sind die Aufgaben der Pflegschaft und Vormundschaft im Kreis Segeberg von allen übrigen Aufgaben des Jugendamtes zu trennen.

Mit der Vorgabe der Aufgabentrennung im Jugendamt zielt der Gesetzgeber darauf ab, die Unabhängigkeit der Vormundschaft konsequent zu sichern, damit der Amtsvormund/die Amtsvormundin die Vormundschaft/Pflegschaft frei von Amtsinteressen alleine im Interesse des Mündels führen kann. (BT-Drs. 19/24445, 403).

Der Gesetzgeber hat sich zu diesem Schritt entschlossen, damit den Amtsvormund*innen ermöglicht wird, sich ausschließlich an den Bedürfnissen der Minderjährigen und nicht an etwaig widerstreitenden anderweitigen Interessen der Behörde zu orientieren.

So soll das Spannungsverhältnis zwischen dem Bereich der Amtsvormundschaft als Teil und zugleich als Gegenüber der Behörde im Sinne einer stärkeren Unabhängigkeit der Amtsvormundschaft bekräftigt werden.

 

Die Leitungsebene im Jugendamt/des Kreises soll das Trennungsgebot in dem Sinne verstehen, dass die Unabhängigkeit des Vormunds/der Vormundin auch in spannungsvollen Situationen sichergestellt werde.

Beispielhaft sollen folgende spannungsvolle Konstellationen genannt werden:

 

  • Die organisatorische Trennung von Bereitschafts- und Dauerpflege kann es dem Vormund/der Vormundin im Einzelfall schwermachen, sich für die Interessen des Kindes, in einer Familie zu bleiben, in der es bereits gut angekommen ist und schon länger lebt, einzusetzen bzw. im umgekehrten Fall.
  • Das Interesse der Behörde an klarer Zuständigkeitstrennung führt in manchen Fällen dazu, dass Vormund*innen nahegelegt wird, keine spezifischen Hilfen zu beantragen, sondern sich hier auf den gewährenden ASD zu verlassen. Somit könnte der Vormund/die Vormundin darin eingeschränkt werden, bestimmte Interessen des Mündels mit Nachdruck zu vertreten und z.B.  Widerspruch einzulegen.
  • Die klare Trennung vom Jugendamt veranschaulicht die unterschiedlichen Positionen innerhalb von Gerichtsverhandlungen, im Rahmen der Arbeit des ASD oder des PKD. Innerhalb der Behörde und nach außen wird die Position der die Vormundschaft/Ergänzungspflegschaft ausübenden Person deutlich. Dieses war bislang so eindeutig nicht der Fall.
  •  

 

Strukturen und Verfahren sind demnach so zu gestalten, dass die Amtsvormundschaft die Sorgeverantwortung und die Interessen des Mündels in sämtlichen denkbaren Zusammenhängen auch gegenüber/innerhalb der Behörde wirksam vertreten kann. Unterschiedliche Auffassungen können dabei nicht ausgeschlossen werden. Jedoch ist die Entwicklung von Verfahren gefordert, die es ermöglichen, Meinungsverschiedenheiten konstruktiv zu bearbeiten.
Zum Umgang mit Jugendamts-internen fachlichen Dissensen wird zurzeit eine Handlungsempfehlung erarbeitet.

 

  1. Personelle Trennung
     

Aus dem Gebot der personellen Trennung folgt, dass seit dem 01.01.2023 eine Fachkraft der AV keine anderen Aufgaben des SGB VIII als die des Führens von Pflegschaften und Vormundschaften wahrnehmen darf.

Dies gilt auch für die ebenfalls in § 2 Abs. 3 Nr. 11 SGB VIII in der neuen Fassung genannten Beistandschaften sowie allgemeine, präventive Beratungsangebote nach § 16 SGB VIII als Aufgabe nach § 2 Abs. 2 Nummer 2 SGB VIII oder Beurkundung als Aufgabe nach § 2 Abs. 3 Nr. 12 SGB VIII.

Ebenso ist die Einbeziehung z.B. in den Bereitschaftsdienst des ASD eines Jugendamtes, sowie alle anderen Aufgaben, nach dem Inkrafttreten der Reform nicht mehr zulässig.

 

  1. Funktion der Leitung
     

Eine gemeinsame Leitung für AV und verschiedene Sachgebiete ist nach der vorstehenden Gesetzesänderung ausgeschlossen.

Grundsätzlich darf die Aufgabe der Pflegschaft/Vormundschaft weder mit einer übrigen Aufgabe in einem gemeinsamen Sachgebiet verbunden werden noch darf eine Person, die Aufgaben der Pflegschaft und Vormundschaft übernimmt, zusätzlich eine übrige Aufgabe des Jugendamtes übernehmen; dies auch, wenn es sich um die Leitung handelt.

Dies entspricht im Übrigen der bereits praktizierten Handhabung der hiesigen Kreisverwaltung, dass die Leitungsebene gegenüber der AV ausschließlich in der Funktion der Dienstaufsicht agiert.

 

  1. Vorschlagspflicht gemäß § 53 SGB VIII
     

Die Begründung des Regierungsentwurfes setzt auf die Aussage, dass Fachkräfte die Pflegschaften oder Vormundschaften führen, diese Aufgabe auf Dauer im Regelfall nicht mehr wahrzunehmen haben.

Vielmehr soll diese Aufgabe bei Eintritt der vorläufigen Vormundschaften vom Jugendamt wahrgenommen werden. Dabei ist insbesondere auf ehrenamtlich tätige Personen (z.B. Pflegemütter/Pflegeväter) abzustellen. Es ist im Vorfeld zu klären, wen das Jugendamt dem Gericht vorschlägt.

Dies wird in Absprache mit den Gerichten Bestandteil der Stellungnahmen des Jugendamtes in familienrechtlichen Verfahren an das jeweils zuständige Gericht. Hier ist insbesondere der SD bzw. PKD in der Verantwortung.

 

  1. Einrichtung einer Koordinierungsstelle
     

Für die Akquise, Eignungsprüfung, Qualifizierung, Betreuung und Begleitung ehrenamtlich tätiger Vormund*innen sollen zukünftig Stellen eingerichtet werden, die in Abstimmung mit den Sozialen Diensten den Familiengerichten zugeleitet werden.
Hinzu kommt die Verantwortung zur Sicherung der Qualität der oben genannten Kriterien.

 

  1. Fazit
     

Es stellt sich somit abschließend die Frage, welche Konsequenzen in der Organisation des Kreises Segeberg gegenüber dem Sachgebiet Amtsvormundschaft/
Amtspflegschaft zum 01.01.2023 zwingend zu ziehen und letztendlich umzusetzen sind.

 

a)    Sachgebietsübergreifende Leitungen, also die Leitung („Leitung“ bezieht sich in Folge auf die allgemeine Dienstaufsicht) von beispielsweise des SD oder des PKD zuzüglich Amtsvormundschaften/Amtspflegschaften sind aufgrund der Gesetzesänderungen seit dem 01.01.2023 definitiv ausgeschlossen.
 

b)    Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich vergleichsweise eindeutig, dass eine Trennung der Vorschlagspflicht gemäß § 53 SGB VIII von der eigentlichen Vormundschaftsaufgabe gewollt ist. Die Akquise geeigneter Vormünder*/Pfleger*innen im Sinne des angeführten § 53 SGB VIII (vorläufige Vormundschaft) ist daher Aufgabe des SD.
Hintergrund dieses Trennungsgebotes ist wahrscheinlich die Vorstellung, dass das Jugendamt – ist es erst einmal zum vorläufigen Vormund bestellt – keine große Motivation zur Suche nach einer Person hat, die die Vormundschaft ehrenamtlich führen könnte.
Ob diese Annahme, dass die Fachkräfte des ASD in dieser Situation engagierter suchen würden, sich in der Praxis bewährt, wird die Zukunft zeigen.

 

c)     Somit bleibt in der Gesamtbetrachtung, dass lediglich die Dienstaufsicht, was bisher schon gängige Praxis war und ist, beim Kreis Segeberg anzugliedern ist.
Daraus resultiert das Erfordernis, einen Arbeitsbereich zu schaffen, der die Vormund*innen eine auf die den anvertrauten Mündeln fokussierte Aufgabenwahrnehmung ebenso ermöglicht wie die Vertretung und Durchsetzung ihrer Interessen. Dies, ohne befürchten zu müssen, dass wegen gegenläufiger Amtsinteressen Druck auf die AV ausgeübt werde.
Dabei ist unstreitig, dass dem Vormund/der Vormundin die Sorgeverantwortung zukommt und sicherzustellen ist, diese wirksam im Interesse des Kindeswohls wahrnehmen zu können.

 

  1. Umsetzung
     

Im Fachbereich Jugend und Bildung wurden in Abstimmung mit den Vormund*innen unterschiedliche Optionen einer Umsetzung der Reformvorgaben gedanklich durchgespielt und betrachtet.

Im Ergebnis ist seit Ende 2022 der Aufgabenbereich der Amtsvormundschaften/Amtspflegschaften ohne Weisungsgebundenheit (vgl. die Anbindung RPA oder Personalrat an den Landrat) organisatorisch an die Fachbereichsleitung Fachbereich Jugend und Bildung angegliedert.
Die bisherigen Erfahrungen werden weitgehend als funktions- und tragfähig eingeschätzt.

 

Quellen und Materialien zu §§ 53, 55 Abs. 5 SGB VIII n.F.:

 

 

 

ALLRIS® Office Integration 3.9.2

Anlage/n:

Anlage 1: Reform Vormundschaftsrecht Bundesforum Materialienband

Anlage 2: Orientierungshilfe zur Umsetzung des neuen Vormundschaftsrechts

               in den Bereichen Zusammenarbeit des Vormunds mit weiteren

               Beteiligten und der Organisation im Jugendamt

 

 

Anlagen:  
  Nr. Status Name    
Anlage 1 1 öffentlich Reform Vormundschaftsrecht Bundesforum_Materialienband (1586 KB)      
Anlage 2 2 öffentlich Orientierungshilfe zur Umsetzung des neuen Vormundschaftsrechts in den Bereichen Zusammenarbeit des Vormunds mit weiteren Beteiligten und der Organisation im Jugendamt (277 KB)